Wie die digitale Transformation im Einzelhandel gelingt

Spätestens seit der Corona Pandemie ist vielen Einzelhändlern klar, dass sie ohne digitale Prozesse langfristig nicht bestehen können. Welche Maßnahmen für den digitalen Strukturwandel sich für solche Unternehmen anbieten untersucht dieser Artikel.
  • Autor: Niklas Perius
  • Aktualisiert am: Februar 7, 2023
  • 7 Minuten
Digitale Transformation im Einzelhandel

© Jacob Lund / Adobe Stock

Wie die digitale Transformation im Einzelhandel gelingt

Spätestens die Corona-Lockdowns haben stationären Einzelhändlern die Bedeutung der Digitalisierung in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Sich immer mehr auf den Online-Handel einzulassen ist das Gebot der Stunde, wie eine EY-Studie zeigt. Diese Entwicklung bedeutet jedoch nicht, dass der klassische Einzelhandel keine Berechtigung mehr hat. Im Gegenteil kann die digitale Transformation ein entscheidender Baustein sein, um den Kunden ein nie dagewesenes Einkaufserlebnis zu ermöglichen.

Die COVID-19-Pandemie als Katalysator

Schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie ging der Trend klar in Richtung Digitalisierung. Die Pandemie zwang viele Einzelhändler dazu, das Thema mit einer ganz anderen Dringlichkeit anzugehen, um in einem schwierigen Umfeld bestehen zu können. Wo der direkte Austausch zur Selbstverständlichkeit gehörte, traten digitale Lösungen zur Eindämmung des Virus bei.

So weit dies möglich war, ging ein Großteil der Mitarbeiter dazu über, von zu Hause aus zu arbeiten. Gastronomiebetriebe begannen damit, auf Essenslieferungen zu setzen. Das bedeutet für sie natürlich, sich online ganz neu aufzustellen und ihre Geschäftsmodelle fundamental zu hinterfragen. Auch in anderen Sektoren wird man mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, sei es im Gesundheitswesen, in Bildungseinrichtungen oder in der Produktion.

 

Die Ergebnisse der von EY herausgegebenen Studie „Reimagining Industry Futures 2021“ unterstreichen diese Entwicklung. 79 Prozent der befragten Einzelhändler geben an, dass sich in ihrem Unternehmen infolge der Pandemie die Beziehung zwischen Kunden, Technologie und Geschäftsprozessen verändert habe. 76 Prozent sagen, dass die Herausforderungen der Pandemie-Zeit dazu beigetragen haben, die digitale Transformation deutlich schneller als ursprünglich geplant umzusetzen. Die Schwerpunkte liegen dabei auf dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und Analytics (genannt von 67 Prozent der Befragten) sowie auf Robotik und Automatisierung (65 Prozent).

Die Corona-Maßnahmen trugen dazu bei, dass Online-Plattformen und digitale Angebote enorm an Bedeutung gewannen und eine immer breitere Akzeptanz erfuhren. Diese Einschätzung gilt für jeden Bereich, ob Arbeit, Unterhaltung oder Freizeit. Wird das Online-Shopping dadurch zum Totengräber der klassischen Einkaufsläden? Diese häufige gezogene Schlussfolgerung liegt zwar nahe, erweist sich aber bei genauerer Betrachtung als überspitzt

Die Studie von EY zeichnet ein differenziertes Bild, demzufolge sich 55 Prozent der Kunden aktiv gegen einen Online-Einkauf entscheiden. Sie präferieren ein analoges Einkaufserlebnis, das ihnen Kontrolle und Unabhängigkeit bietet. Das Schreckensszenario aussterbender Innenstädte steht also nicht unmittelbar bevor. Dafür spricht auch eine weitere Zahl: 45 Prozent der Befragten geben an, den Einkauf im Online-Shop mit dem im Ladengeschäft zu kombinieren. Große Teile der Kundschaft legen sich nicht auf Online-Shopping oder den Offline-Handel fest, sondern nutzen die jeweiligen Vorzüge. Einiges spricht dafür, dass das Einkaufserlebnis der Zukunft ein grundsätzlich hybrides Gesicht haben könnte.

Neue Strategien sind gefragt

Eine Vielzahl von Experten geht davon aus, dass der Einzelhandel vor einer Phase fortwährender Disruptionen steht. Ohne lange Vorlaufzeit auf Trends und Veränderungen reagieren zu können, ist eine Fähigkeit, die in einem dynamischen Marktumfeld zusehends wichtig wird. Die klaren Grenzen zwischen klassischen Geschäften auf der einen und reinen Online-Playern auf der anderen Seite verwischen immer mehr. Die gewachsene Bedeutung von Online-Angeboten verleiht den Verbrauchern mehr Entscheidungsfreiheit. Sie benötigen nur wenige Klicks, um sich die Angebote der Konkurrenz anzeigen zu lassen und eine Bestellung aufzugeben. Das ist ein Grund, warum der Einfluss stationärer Einzelhändler auf die Verbraucher immer mehr nachlässt und der Service mehr in den Fokus rückt.

Die meisten Einzelhandelsunternehmen haben längst auf diese Veränderungen reagiert. So versuchen sie zum Beispiel, sich online breiter aufzustellen und potenzielle Kunden mithilfe einer Omnichannel-Strategie anzusprechen. Doch ein informativer Blog oder humoristische Posts in sozialen Netzwerken sind meist nur der Anfang. Eine immer wählerischere Kundschaft anzusprechen, erfordert längst mehr, als nur die jüngsten Marketing-Trends und Technologien in die Geschäftsmodelle zu implementieren.

Invisibility, Intimacy und Indispensability

Um die digitale Transformation im Einzelhandel anzugehen, sollten Einzelhändler laut Jörg Schäfer, dem Global Retail Supply Chain Leader von EY, verschiedene Wertversprechen zur Deckung bringen, die für Verbraucher immer wichtiger werden: Invisibility (Unsichtbarkeit), Intimacy (Intimität) und Indispensability (Unentbehrlichkeit).

Invisibility bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es der Einzelhändler anstrebt, dem Kunden einen zeitsparenden Komfort zu bieten, der sich so nahtlos ins Shopping- und Kauferlebnis einfügt, dass er nicht bemerkt wird. Digitale Technologien spielen dabei eine Schlüsselrolle, beispielsweise bei der Personalisierung des Angebots, der Preisgestaltung oder dem nahtlosen Zusammenwirken der Kanäle.

Das Wertversprechen Intimacy bringt die neue Beziehung zum Ausdruck, die immer mehr das Verhältnis von Einzelhändlern und Kunden bestimmt. Es reicht längst nicht mehr aus, das Kundenbedürfnis nach einem Produkt oder einer Dienstleistung zu befriedigen. Händler entwickeln sich allmählich zu vertrauensvollen Partnern, die für einen bestimmten Lifestyle stehen. Für eine maßgeschneiderte Kundenansprache ist die Nutzung und Bereitstellung von Echtzeit-Daten entscheidend. Diese sind idealerweise nicht nur in einem CRM-System gespeichert, sondern mit sämtlichen relevanten Tools verknüpft.

Beim Angebot setzt das Wertversprechen Indispensability an. Wie schafft es ein Einzelhandelsunternehmen, die Bedürfnisse seiner Kunden ganzheitlich zu erfüllen? Um diesem Anspruch gerecht zu werden und sich als Anbieter unentbehrlich zu machen, sind individuell auf den Kunden abgestimmte Produkte und Dienstleistungen die Voraussetzung. In der Praxis bedeutet dies, die Zusammenarbeit mit anderen Partnern auf eine andere Grundlage zu stellen, beispielsweise durch den Aufbau eines Netzwerkes, das es möglich macht, das Angebot zu erweitern.

Gemeinsam den Einzelhandel stärker: Metropolitan Commerce

Um diese Versprechen zu erfüllen, reicht es für die meisten Händler nicht aus, an einigen Stellschrauben zu drehen. Gerade für den stationären Einzelhandel kommt es mitunter darauf an, völlig neue Wege zu gehen. Metropolitan Commerce ist der Name eines solchen Weges.

Laut dem „Future Consumer Index 2021“, einer von EY erhobenen Umfrage, äußern 39 Prozent der Befragten, dass sie künftig häufiger online kaufen würden. Von diesem Trend profitieren natürlich in erster Linie die bekannten Online-Giganten. Diese bringen eine enorme Marktmacht auf die Waage und machen es Händlern leicht, sich mit ihren Angeboten an eine riesige Kundschaft zu wenden. Nicht mit den Riesen des E-Commerce zusammenzuarbeiten, kann leicht einen klaren Nachteil gegenüber den Mitbewerbern bedeuten. Der Preis, den insbesondere kleinere Businesses auf diesen Plattformen zahlen müssen, ist jedoch hoch, denn sie verlieren den direkten Kundenkontakt und einen Großteil ihrer Unabhängigkeit.

Es gibt jedoch Möglichkeiten, selbst als kleiner Händler mit seinem Online-Angebot gegen diese starke Konkurrenz zu bestehen und ein völlig eigenes Shopping-Modell zu schaffen. Gerade in Sachen Liefergeschwindigkeit können es kleinere Händler kaum mit den großen Online-Marktplätzen aufnehmen. Eine Lieferung am selben oder am nächsten Tag wird jedoch immer wichtiger, um ungeduldige Kunden nicht zu verlieren.

manage shift planning, timesheet and sta
Kostenlos anmelden
Papershift - Ihre Organisation in der Cloud
  • Dienstpläne erstellen
  • Arbeitszeiten erfassen
  • Urlaub planen
  • Lohnabrechnungen erstellen
  • Arbeitsdaten analysieren
Testen Sie Papershift 14 Tage kostenlos & unverbindlich
Jetzt 14 Tage kostenlos testen Live Demo vereinbaren

Die Lösung ist denkbar einfach: Anstatt Abwicklung, Lagerung und Lieferung allein zu organisieren, schließen sich mehrere Einzelhändler zusammen, um ein gemeinsames Ökosystem entstehen zu lassen. Eine von einer Gruppe von Online- beziehungsweise Offline-Einzelhändlern genutzte Logistik- und Lagerstruktur dient dem Zweck, ihren Geschwindigkeitsnachteil auszugleichen. Weitere Vorteile von Metropolitan Commerce sind geteilte Kosten und Risiken, aber auch ein geringerer Flächenbedarf und eine einfachere Skalierung.

Die Artikel sollen nicht erst langwierig aus einem Zentrallager herangeschafft werden, sondern jederzeit abrufbereit in Lagern in mehreren Metropolregionen liegen. Die einzige zwingende Voraussetzung ist, dass sich das jeweilige Unternehmen im Einzugsgebiet des Lagerstandortes befindet. Für traditionelle Einkaufsläden bietet dieses Modell die Chance, ein unverwechselbares Einkaufserlebnis anzubieten. Potenzielle Kunden können ein Produkt in aller Ruhe in Augenschein nehmen und ganz klassisch ausprobieren – das kann kein reiner Online-Händler bieten.

Wenn Konsumenten den Artikel nicht direkt kaufen möchten, weil er beispielsweise sperrig ist oder noch andere Termine auf der Tagesordnung stehen, kann der Einzelhändler ihn wie eine ganz normale Online-Bestellung aus dem Lager liefern. Diese Flexibilität eröffnet dem Kunden eine ganz neue Freiheit. Sie könnte sich zum Beispiel darin zeigen, dass er ein Produkt im Laden auswählt, bestellt und bereits in Empfang nehmen kann, wenn er wieder zu Hause angekommen ist.

Die digitale Transformation im Einzelhandel hat unzählige Facetten. In den letzten zehn Jahren hat sich der Markt für Händler enorm gewandelt. Es spricht nichts dafür, dass sich dieses Tempo in Zukunft verlangsamen könnte. Daher sind praktisch alle Unternehmen gut beraten, das Thema Change Management zur festen DNA ihres Business zu machen.

Papershift Marktgeflüster

Das Papershift Marktgeflüster ermöglicht Dir einen schnellen Einblick in die neuesten Erkenntnisse und Studien aus dem Marktgeschehen der Bereiche HR, Personal, Mitarbeiterentwicklung und Workforce Management.

Zusätzlich werfen wir regelmäßig einen Blick in die Branchen unserer Kunden wie beispielsweise Gastronomie, Einzelhandel oder dem Management von Arztpraxen. Seid gespannt!

Du hast Feedback für uns oder arbeitest gerade einer Studie, welche thematisch zu uns passt? Melde Dich gerne bei uns per E-Mail: [email protected].Wir freuen uns auf Deine Nachricht!



Verfasst von Niklas

Mit dem Fokus auf aktuelle Ereignisse und Studien liefert Euch Niklas Einblicke in die HR-Welt.