Zusammenfassung
- Zuletzt sind laut einer aktuellen Studie mehr Menschen krank zur Arbeit gegangen.
- Ein Grund ist die Sorge um den Arbeitsplatz.
- Auch ein schlechtes Betriebsklima kann den Präsentismus fördern.
- Damit verbunden sind mögliche negative Konsequenzen auch für Kolleginnen und Kollegen sowie für das Unternehmen.
Inhalt
Sorge um Arbeitsplatz: Präsentismus nimmt zu
Der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die krank zur Arbeit gehen, hat nach der Corona-Pandemie wieder zugenommen. Ein Grund für Präsentismus ist die Sorge um den Arbeitsplatz.
Eine aktuelle Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Thema Präsentismus in Deutschland zeigt, dass das Arbeiten trotz Krankheit in Deutschland noch immer weit verbreitet ist. Die Corona-Pandemie hat sich auf das Verhalten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgewirkt.
Im Jahr 2024 gaben demnach 63 Prozent der Befragten an, mindestens einmal in den letzten zwölf Monaten gearbeitet zu haben, obwohl sie sich krank fühlten. Dieser Wert verdeutlicht, dass ein großer Teil der Arbeitnehmenden in Deutschland nicht die Möglichkeit hat, sich bei Krankheit auszuruhen und zu erholen – oder dass sie zumindest das Gefühl haben, auch bei Krankheit arbeiten zu müssen.
Der sogenannte Präsentismus, also das Erscheinen am Arbeitsplatz trotz Krankheit, hat nach einem vorübergehenden Rückgang während der Pandemie wieder zugenommen. Während der Corona-Pandemie sank der Anteil der Beschäftigten, die krank arbeiteten, deutlich. Das wird darauf zurückgeführt, dass viele Arbeitnehmer ihr Verhalten änderten, um ihre eigene Gesundheit zu schützen und Ansteckungen zu vermeiden. Nach dem Ende der Pandemie kehrte sich dieser Trend jedoch um, und der Anteil der krank arbeitenden Beschäftigten erreichte wieder das Niveau vor der Pandemie.
Mögliche Ursachen für Präsentismus
Die Studie nennt mehrere Ursachen für Präsentismus. Hohe Arbeitsbelastung, eine schlechte Betriebskultur und Sorgen um den Arbeitsplatzverlust spielen eine entscheidende Rolle. Wenn Beschäftigte starker Arbeitsverdichtung ausgesetzt sind, also mehr Arbeit in der gleichen Zeit erledigen müssen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch krank arbeiten. Eine fehlende Wertschätzung durch Vorgesetzte, mangelnde kollegiale Unterstützung und ein insgesamt schlechtes Arbeitsklima verstärken diesen Effekt. Zudem führt die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes dazu, dass Arbeitnehmer sich gezwungen fühlen, auch krank zur Arbeit zu gehen. Der Druck dürfte sich angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Probleme und dem zunehmenden Druck am Arbeitsmarkt weiter erhöhen.
Negative Auswirkungen von Präsentismus
Präsentismus birgt verschiedene Risiken für die betroffenen Arbeitnehmer, ihre Kolleginnen und Kollegen sowie für das Unternehmen.
Für die Arbeitnehmer kann Präsentismus dazu führen, dass Krankheiten verschleppt werden und sich der Gesundheitszustand verschlechtert, was letztendlich zu einer längeren Erkrankungsdauer führen kann. Werden Krankheiten nicht richtig auskuriert, können sie chronisch werden oder zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen führen.
Nicht zu vergessen ist das Ansteckungsrisiko bei übertragbaren Krankheiten wie zum Beispiel einer Grippe: Wer sich krank ins Büro schleppt, nimmt damit in Kauf, dass sich Kolleginnen und Kollegen infizieren.
Auch für Betriebe entstehen durch Präsentismus Risiken und Kosten. So erhöht Präsentismus das Risiko von Fehlern und Unfällen bei der Arbeit. Wenn Mitarbeiter krank sind, sind sie weniger konzentriert und leistungsfähig, was zu einer erhöhten Fehlerquote führen kann. Dies kann insbesondere in Berufen mit hohen Sicherheitsanforderungen schwerwiegende Folgen haben. Darüber hinaus ist Präsentismus mit Produktivitätseinbußen verbunden. Kranke Mitarbeiter sind in der Regel weniger produktiv als gesunde Mitarbeiter, was sich negativ auf die Gesamtleistung des Unternehmens auswirken kann.
Bestimmte Berufsgruppen sind besonders von Präsentismus betroffen
In bestimmten Berufsgruppen ist Präsentismus besonders verbreitet. Dazu gehören Reinigungsberufe, Lehr- und Erziehungsberufe sowie Gesundheitsberufe. Sie weisen die höchsten Präsentismus-Anteile auf. In diesen Bereichen arbeiten nicht nur viele Menschen krank, sondern auch über längere Zeiträume. Dies könnte auf den hohen Verantwortungsdruck, Personalmangel oder die spezifischen Arbeitsbedingungen in diesen Berufen zurückzuführen sein.
Frauen arbeiten häufiger krank bei der Arbeit als Männer
Ein weiterer Befund der Studie ist, dass Frauen häufiger krank arbeiten als Männer. Im Jahr 2024 gaben 67 Prozent der weiblichen Beschäftigten an, krank gearbeitet zu haben, verglichen mit 59 Prozent der Männer. Zudem arbeiteten Frauen häufiger eine Woche oder länger trotz Krankheit. Das könnte unter anderem daran liegen, dass Frauen häufiger in den genannten Risikoberufen tätig sind oder dass sie stärker unter dem Druck stehen, ihre Arbeitsaufgaben trotz Krankheit zu erfüllen.
Arbeitsbedingungen wirken sich auf Präsentismus aus
Die Studie betont, dass gute Arbeitsbedingungen eine wichtige Rolle bei der Reduzierung von Präsentismus spielen. Eine wertschätzende Betriebskultur, eine gute Arbeitsplanung und die Möglichkeit, bei Krankheit zu Hause zu bleiben, können dazu beitragen, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und die Produktivität der Belegschaft zu erhalten. Arbeitgeber sollten daher Maßnahmen ergreifen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und eine Unternehmenskultur zu fördern, in der die Gesundheit der Mitarbeiter Priorität hat.
Die Ergebnisse der Studie sind insbesondere im Vergleich mit einer anderen Zahl interessant – nämlich dem hohen Krankenstand in Deutschland. Nach Daten der Techniker-Krankenkasse ist die Zahl der jährlichen Krankheitstage pro Mitarbeiter in den vergangenen fünf Jahren von etwa zwei Wochen auf zuletzt 18 Tage angestiegen. Das führte auf Seiten mancher Arbeitgeber zur Forderung eines Karenztags, also eines unbezahlten Krankheitstags.
Während sich also einerseits viele Menschen krankschreiben lassen, kommen gleichzeitig viele Menschen trotz Krankheit zur Arbeit. Wie passt das zusammen? Eine mögliche Erklärung könnte in unterschiedlichen Anforderungen, Belastungen und Ängsten in den jeweiligen Berufsgruppen liegen. Wer sich weniger Sorgen um seinen Job macht und auch nicht das Gefühl hat, bei einem krankheitsbedingten Fernbleiben sanktioniert zu werden, wird vermutlich eher bei Krankheit zu Hause bleiben.
Beide Entwicklungen, also das höhere Maß an Präsentismus sowie die gestiegene Zahl an Krankheitstagen, lassen aber darauf schließen, dass es wirklich eine Zunahme der Erkrankungen gab und dass die Zunahme an Krankmeldungen nicht oder zumindest nicht hauptsächlich auf “Blaumachen” zurückzuführen ist.