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Recruiting und KI: Top-100-Unternehmen in Europa haben laut Studie großen Nachholbedarf
Vor allem beim Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Recruiting zeigen die Top-100 der europäischen Unternehmen ihre Schwächen. Und auch sonst ist der Eindruck aus einer aktuellen Studie durchwachsen.
Wenn es im Rahmen des Bewerbermanagements um die sogenannte Candidate Experience geht, also um die Erfahrungen, die Bewerber während des Recruitings mit einem Unternehmen sammeln können, gibt es verschiedene Aspekte zu betrachten. Um überhaupt auf sich aufmerksam zu machen, muss ein Unternehmen eine ansprechende Jobseite anbieten, die in der Lage ist, relevanten Traffic zu erzeugen. Auf der Seite kommt es insbesondere auf eine gute User Experience an, um die Besucher zu halten und dazu zu bringen, ihre Bewerbung abzusenden.
- Dienstpläne erstellen
- Arbeitszeiten erfassen
- Urlaub planen
- Lohnabrechnungen erstellen
- Arbeitsdaten analysieren
Zu einer guten Jobseite gehören auch die passenden Inhalte wie interessante Beschreibungen, verschiedene Medien wie zum Beispiel Videos und Blogbeiträge sowie Bewertungen des Unternehmens von Bewerberinnen und Bewerbern. Und schließlich muss eine Jobseite so gestaltet sein, dass sie Konversionen erzeugt, die Kandidaten also dazu bringt, sich zu bewerben.
Eine aktuelle Studie mit dem Titel „State of Candidate Experience“ hat nun für die Top-100-Unternehmen Europas aus den Global Fortune 500 untersucht, wie gut sie im Hinblick auf die Candidate Experience aufgestellt sind. Besondere Betrachtung erfuhr dabei der Einsatz von KI. Neben der Jobseite wurden auch der Bewerbungsprozess und die Kommunikation mit den Bewerbern in drei Phasen betrachtet: Akquisition, Bindung und Konversion. Dabei wurde einbezogen, wie KI und Automatisierungstechnologien in den einzelnen Phasen zum Einsatz kommen – etwa in Form von Chatbots, Personalisierung oder intelligenter Suchfunktionen.
Akquisition
Das Anbieten einer nutzerfreundlichen Jobseite ist eine notwendige Voraussetzung, um geeignete Bewerber zu erreichen. Neben einer durchdachten Navigation kommt es hier auch auf intelligente Suchfunktionen an, damit die Kandidaten schnell und einfach das finden können, wonach sie suchen.
In der Studie zeigte sich, dass lediglich neun Prozent der Unternehmen eine intuitiv nutzbare Jobsuche sowie eine Bewerbungsfunktion anbieten, die weniger als drei Klicks benötigt. Dabei war nur ein Prozent der Suche-Funktionen in der Lage, den Kontext von Suchanfragen zu verstehen und eine getrennte Gruppierung vorzunehmen wie zum Beispiel nach Keyword, Ort und Kategorie. Auf 88 Prozent der Jobseiten wurden nur Ergebnisse für die eingegebenen Suchanfragen angezeigt, nicht jedoch ähnliche Vorschläge.
Immerhin 97 Prozent aller Jobseiten konnten auf allen Geräten wie Desktop, Notebook, Smartphone und Tablet betrachtet werden. Die Bilder wurden in weniger als drei Sekunden geladen. Das spricht für die User Experience dieser Seiten.
Auch die Aktualität der Inhalte auf den Jobseiten war in den meisten Fällen in Ordnung. So entfernten 90 Prozent der Unternehmen abgelaufene Stellenangebote von ihren Seiten und nahmen sie auch aus Jobplattformen wie Monster heraus.
94 Prozent der Jobseiten verfügen gemäß der Studie über keine Möglichkeit für ein Social Login. Mehr als die Hälfte der Unternehmen, nämlich 54 Prozent, verwendet nur eine Social Media-Plattform, um Talente anzuwerben. 42 Prozent der Unternehmen verlinken auf ihren Jobseitgen auf drei oder mehr Social Media-Plattformen.
Bindung
In dieser Phase kommt es darauf an, die Kandidaten auf der Jobseite zu halten, indem ihnen dort die für sie passenden Angebote angezeigt werden. Hilfreich können auch Funktionen wie ein Warenkorb sein, in dem interessante Stellenangebote gespeichert werden können. Auch ein Chatbot, der bei Fragen und Problemen Unterstützung bietet, kann für Bindung sorgen und dafür, dass die Kandidaten die Seite nicht frühzeitig verlassen.
In der Studie zeigte sich, dass die betrachteten Unternehmen sich hier einige Schwachstellen leisten. So bieten zum Beispiel nur sechs Prozent der Jobseiten einen Chatbot an. 98 Prozent der Jobseiten empfehlen keine Jobs, die auf das jeweilige Profil der Kandidaten ausgerichtet sind. Ebenfalls auf den meisten Jobseiten fehlen Empfehlungen auf Grundlage der Browsing-Historie (96 Prozent) sowie die Anzeige kürzlich betrachteter Stellenangebote (90 Prozent). Und nur auf 32 Prozent der Jobseiten gibt es einen Warenkorb zum Speichern interessanter Stellenangebote.
Weitere Kriterien, die ebenfalls zur Bindung und zum weiteren Engagement der Bewerber beitragen können, fehlen ebenfalls bei vielen Unternehmen:
- Veröffentlichungsdatum für Jobs (fehlt bei 37 Prozent)
- Ein markenspezifischer und einheitlicher Bewerbungsprozess (fehlt bei 19 Prozent)
- Versenden einer Zufriedenheitsumfrage im Nachgang zur Bewerbung (fehlt bei 90 Prozent)
- Gepflegte Inhalte für Social Media auf der Jobseite (fehlt bei 95 Prozent)
Konversion
Um eine möglichst hohe Rate an Bewerbungen und damit viele Konversionen zu erzeugen, muss der Bewerbungsprozess schnell nutzbar und einfach gestaltet sein. Das schließt eine passende Kommunikation mit den Kandidaten ein, insbesondere, wenn es um den Status der Bewerbung und einer möglichen Beschäftigung geht.
Auf Jobseiten ist es beispielsweise wichtig, dass Bewerber ihre Daten nur einmal und nicht an verschiedenen Stellen mehrfach eingeben müssen. Auch in diesen Punkten zeigt die Studie großen Nachholbedarf bei den Top-100-Unternehmen in Europa:
- 60 Prozent der Seiten lassen keine direkte Bewerbung per LinkedIn zu
- Obwohl 93 Prozent der Seiten den Eingang einer Bewerbung bestätigten, wurde von keiner einzigen Seite der darüber hinausgehende Status kommuniziert.
- Immerhin 84 Prozent der Seiten bieten ein Single-Sign-On an, um spätere und erneute Zugriffe auf die Seite zu erleichtern.
- Auf 65 Prozent der Seiten wird der Button zum Abschicken der Daten erst nach der Eingabe aller notwendigen Daten aktiviert. Das erspart Mehrfacheingaben.
Ergebnisse und Rankings der Studie
Die in der Studie ermittelten Ergebnisse wurden verwendet, um den Unternehmen je Kategorie eine Bewertung zu geben. Dabei reichte die Spanne von „außergewöhnlich“ bis hinunter zu „schlecht“. Dabei zeigte sich, dass in allen Kategorien die Mehrzahl der Unternehmen die schlechteste Bewertung erhielt. Am stärksten ausgeprägt ist dies bei „Bindung“ mit 93 Prozent und „KI“ mit 98 Prozent. Eine außergewöhnlich gute Bewertung gab es nur im Bereich „Akquisition“ – hier erreichte jedoch nur ein Prozent der Unternehmen diese Bewertung.
Im Gesamtergebnis schnitt die Deutsche Post DHL Group am besten ab. Sie erzielte eine Punktzahl von 68 auf der nach oben offenen Skala. Es folgen Chubb und Unilever. Am Ende der Liste stehen Finatis (28), die ELO Group (Auchan Retail, 24) sowie die EXOR Group (23).
Fazit
Auch wenn die Studie sehr stark auf die Jobseiten der Unternehmen fokussiert ist, zeigt sie zumindest sehr deutlich, dass es im Bewerbermanagement der Unternehmen deutliche Optimierungspotentiale gibt. Das betrifft insbesondere die Verwendung moderner Plattformen wie Social Media sowie die User Experience.
In Zeiten eines zunehmenden Fachkräftemangels und eines wachsenden Wettbewerbs um die besten Mitarbeiter müssen Unternehmen den Bewerbungsprozess so schlank, komfortabel und transparent wie möglich gestalten, um mithalten zu können. Immerhin haben einige Unternehmen in der DACH-Region unlängst in einer Umfrage angegeben, verstärkt in moderne Technologien für das Recruiting investieren zu wollen.
Und dass die Verwendung von KI im Recruiting auch zu Problemen wie zum Beispiel zu Verzerrungen bei der Auswahl von Kandidaten führen kann, zeigt das Beispiel von LinkedIn. Auch das muss beim Einsatz moderner Technologie berücksichtigt werden.