Inhalt
- Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: 5 weit verbreitete Missverständnisse
- Missverständnis 1: Zeiterfassung bedeutet das Ende der Vertrauensarbeitszeit
- Missverständnis 2: Zeiterfassung muss sofort eingeführt werden
- Missverständnis 3: Zeiterfassung ist ein deutsches Phänomen
- Missverständnis 4: Unternehmen können mit der Zeiterfassung warten, bis es ein Gesetz gibt
- Missverständnis 5: Zeiterfassung bedeutet den Weg zurück zur Stechuhr
- Fazit
Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: 5 weit verbreitete Missverständnisse
Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur verpflichtenden Erfassung der Arbeitszeit haben sich einige Missverständnisse und offene Fragen ergeben. Einige der größten Irrtümer rund um die Zeiterfassung räumt dieser Beitrag aus.
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hatte im September geurteilt, dass Unternehmen grundsätzlich zur Arbeitszeiterfassung ihrer Mitarbeiter verpflichtet sind. Offen sind seither jedoch verschiedene Fragen zur Zeiterfassung, etwa wie konkret diese zu erfolgen hat und welche Ausnahmeregelungen es gibt.
- Arbeitszeiten erfassen
- Dokumentationspflicht einhalten
- Arbeitszeitkonten digital verwalten
- Zeiten auswerten und exportieren
Die offenen Fragen zur Zeiterfassung haben zu einer Reihe von Missverständnissen geführt. Die fünf am weitesten verbreiteten Missverständnisse werden in diesem Beitrag ausgeräumt.
Missverständnis 1: Zeiterfassung bedeutet das Ende der Vertrauensarbeitszeit
Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass sich Mitarbeiter die zur Erledigung ihrer Aufgaben benötigte Zeit selbst einteilen können. Der Arbeitgeber schreibt nicht vor, wann der Arbeitnehmer mit seiner Arbeit beginnen und wann er diese beenden soll, solange er die ihn übertragenen Pflichten erfüllt. Dennoch muss der per Arbeitsvertrag vereinbarte Umfang der Arbeitszeit erfüllt werden. Gleichzeitig sind die Regelungen für Pausenzeiten und maximale Arbeitszeiten zu beachten, die sich aus dem Arbeitszeitgesetz ergeben.
All das schließt die Erfassung der Arbeitszeiten nicht aus. Der Arbeitnehmer wird durch die Zeiterfassung nicht an der freien Einteilung seiner Zeiten gehindert. Allerdings können sich Arbeitnehmer in bestimmten Fällen durch die Zeiterfassung mit einer zusätzlichen Kontrolle konfrontiert sehen. Das ist dann möglich, wenn sie die ihnen übertragenen Arbeiten in einer kürzeren als der vertraglich vereinbarten Zeit leisten und dann befürchten, vom Arbeitgeber wegen der geringeren Arbeitszeit sanktioniert zu werden. Hier kommt es auf entsprechende Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer bzw. deren Vertretungen wie Betriebsräten an.
Missverständnis 2: Zeiterfassung muss sofort eingeführt werden
Bereits heute gibt es die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in bestimmten Fällen. Das war auch schon vor dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts so. Geringfügig Beschäftigte müssen ihre Arbeitszeiten gemäß Mindestlohngesetz aufzeichnen. Das gilt auch für Beschäftigte im Baugewerbe und in der Gastronomie sowie allgemein für Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie für Überstunden.
Wann genau die allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung greifen wird, ist dagegen noch offen. In dieser Frage gibt es laut Bundesarbeitsgericht noch Spielraum. Der Ball liegt nun beim Gesetzgeber.
Unternehmen sollten allerdings nicht zu lange mit den Vorbereitungen der Arbeitszeiterfassung warten, denn damit sind verschiedene Anpassungen an Prozessen und Abläufen verbunden. Es sollte außerdem genügend Zeit zum Testen verschiedener Lösungen zur Zeiterfassung eingeplant werden.
Missverständnis 3: Zeiterfassung ist ein deutsches Phänomen
Die Annahme, die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sei ein typischer Ausdruck deutscher Bürokratie, ist falsch. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Jahr 2019 entschieden, dass die Unternehmen in den EU-Mitgliedsländern zur Arbeitszeiterfassung zu verpflichten seien. Es ist Aufgabe der jeweiligen Regierungen, dies in Form von Gesetzen zu verankern.
Auch außerhalb der EU gibt es die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung wie zum Beispiel in der Schweiz. Hier muss die Arbeitszeit aller Angestellten mit einem Jahreseinkommen von weniger als CHF 120.000 erfasst werden. Zudem kann es weitere Ausnahmen geben wie Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeiten sowie ihre Arbeits- und Ruhezeiten weitgehend selbst gestalten können.
Missverständnis 4: Unternehmen können mit der Zeiterfassung warten, bis es ein Gesetz gibt
Es wäre fahrlässig, mit der Einführung eines Zeiterfassungssystems so lange zu warten, bis der Gesetzgeber einen festen Termin vorschreibt. Je nachdem, wir kurzfristig die Zeiterfassung eingeführt werden muss, bleibt sonst möglicherweise zu wenig Zeit für die Auswahl passender Systeme, für eine Pilotphase und für die Kommunikation mit den Mitarbeitern.
Unternehmen, die noch kein Zeiterfassungssystem nutzen, sollten schon jetzt mit der Evaluierung und der Auswahl möglicher Lösungen beginnen und sich mit den Auswirkungen auf den Betrieb befassen.
Missverständnis 5: Zeiterfassung bedeutet den Weg zurück zur Stechuhr
Wer bei Zeiterfassung an die klassische Stechuhr denkt, liegt in den meisten Fällen falsch. Inzwischen gibt es flexible Zeiterfassungssysteme, die online, mobil und von überall aus nutzbar sind und auf diese Weise auch für Branchen geeignet sind, in denen die Mitarbeiter häufig an verschiedenen Orten tätig sind.
Mitarbeiter sind damit in der Lage, ihre Arbeitszeiten je nach Bedarf im Unternehmen, über ihren Rechner oder mit einer App auf ihrem Smartphone zu erfassen.
Die Einführung der Zeiterfassung ist daher nicht mit einem Verlust an Flexibilität verbunden.
Fazit
Bis der Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung zur Arbeitszeiterfassung geschaffen hat, wird es weiterhin offene Fragen und Diskussionen zu diesem Thema geben. Viele Missverständnisse können jedoch bereits heute ausgeräumt werden.