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Österreich: Anweisung zum Zeitausgleich während Kündigungsfrist kann rechtens sein
Laut österreichischem Recht kann ein Unternehmen in bestimmten Fällen von einem Mitarbeiter verlangen, während der Kündigungsfrist Zeitausgleich für offene Überstunden zu nehmen.
In einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Wien (OLG Wien 25.5.2022, 9 Ra 111/21s) ging es um die Klage einer Mitarbeiterin, der gekündigt wurde und die von ihrem Arbeitgeber aufgefordert wurde, Zeitausgleich für ihr auf dem Arbeitszeitkonto angesammeltes Zeitguthaben zu nehmen. Die Klägerin verlangte dagegen die Auszahlung des offenen Zeitguthabens. Ihrer Auffassung nach könne Zeitausgleich nicht einseitig angeordnet werden.
- Urlaube und Abwesenheiten verwalten
- Urlaubsanträge genehmigen
- Überschneidungen im Blick behalten
- Urlaubssperren anlegen
Weißer Fleck im Arbeitszeitgesetz
Das Arbeitszeitgesetz in Österreich regelt in § 19e Abs. 1, dass ein Guthaben des Arbeitnehmers an Normalarbeitszeit oder an Überstunden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten sei. Im konkreten Fall wollte der Arbeitgeber aber vermeiden, dass ein solches Guthaben beim Ausscheiden der Mitarbeiterin besteht.
Weiter heißt es im Arbeitszeitgesetz, dass für sämtliche in einem Kalendermonat geleisteten und noch nicht ausgeglichenen Überstunden binnen sechs Monaten nach Ende des Kalendermonats Zeitausgleich zu gewähren ist, sofern der Zeitpunkt des Ausgleichs nicht vorab vereinbart wurde. Ausnahmen kann es für Gleitzeit- und Durchrechnungsmodelle geben.
In Fällen, in denen es innerhalb von sechs Monaten nicht zu einem Zeitausgleich kommt, kann der Arbeitnehmer mit einer Vorankündigungsfrist von vier Wochen einseitig den Zeitraum des Zeitausgleichs bestimmen, sofern dem keine zwingenden betrieblichen Erfordernisse entgegenstehen. Der Mitarbeiter kann alternativ eine Abgeltung verlangen. Im Arbeitszeitgesetz dagegen nicht geregelt ist die Frage, was mit angesammeltem Zeitguthaben während der Kündigungsfrist geschieht.
Gericht zieht Parallelen zum Beantragen von Urlaub
Daher verlegte sich das Gericht auf das Thema Urlaub während der Kündigungsfrist. Hier sei es so, dass der Arbeitgeber die Urlaubszeit nicht einseitig anordnen dürfe. Ausnahmen bestünden bei sonstiger Verletzung der Treuepflicht oder bei Rechtsmissbrauch. Dann könne von einem Mitarbeiter erwartet werden, dass er während der Kündigungsfrist in Urlaub geht.
In seinem Urteil wandte das Gericht diese Erwägungen auf den aktuellen Fall an. Auch bei einer Dienstfreistellung könne sich aus der Treuepflicht heraus eine ausnahmsweise Obliegenheit der Mitarbeiterin ergeben, ihr Zeitguthaben während der Kündigungsfrist in Anspruch zu nehmen, sofern ihr dies zumutbar sei. Auch im gekündigten Arbeitsverhältnis und trotz Dienstfreistellung gelte die Treuepflicht.
Abbau von Zeitguthaben zur Sommerzeit im Unternehmen üblich
Das Gericht berücksichtigte außerdem den Umstand, dass im beklagten Unternehmen üblicherweise Zeitguthaben im Sommer abgebaut wird. Die Klägerin hatte dies in der Vergangenheit selbst so gehandhabt. Weil die Kündigungsfrist auf die Monate Juli und August sowie auf den September und den halben Oktober entfalle, sei es für die Mitarbeiterin zumutbar gewesen, zumindest die Hälfte ihres Zeitguthabens in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin hätte zudem keine Umstände vorgebracht, die einen entsprechenden Zeitausgleich unzumutbar erscheinen ließen.
Fazit
So konnte die Klägerin immerhin einen Teilerfolg vor Gericht erzielen. Ob und inwieweit ein Arbeitgeber in Österreich von seinen Mitarbeitern den Abbau des angesammelten Zeitguthabens in der Kündigungszeit verlangen kann, hängt also von den speziellen Umständen ab. Ist es beispielsweise üblich, dass Zeitguthaben zu bestimmten Zeiten abgebaut werden, und gibt es besondere Umstände, die es für den Arbeitnehmer unzumutbar erscheinen lassen, wenn sein Zeitguthaben abgebaut und nicht ausgezahlt wird? All das ist zu berücksichtigen.