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Gerichtsurteil: Bahnfahren zählt zur Arbeitszeit
Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg zählen Bahnfahrten, die im Zusammenhang mit der Überführung von Fahrzeugen anfallen, als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes.
Gehört die Fahrt zum Arbeitsort zur Arbeitszeit oder nicht? Zwar gilt normalerweise, dass die Fahrten von zu Hause zur Arbeit und zurück nicht als Arbeitszeit gelten, aber es gibt Ausnahmen. Über eine solche Ausnahme hat jetzt das Verwaltungsgericht Lüneburg entschieden (Az.: 3 A 146/22). Dabei ging es um ein Speditionsunternehmen, das sich auf die Überführung von neuen und gebrauchten Nutzfahrzeugen spezialisiert hat. Die zur Überführung eingesetzten Mitarbeiter fahren mit der Bahn und dem Taxi zum jeweiligen Abholort des Fahrzeugs und fahren dann mit dem Fahrzeug zum Überbringungsort. Von dort geht es mit dem Taxi und der Bahn zurück zu ihrem Wohnort.
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Gewerbeaufsichtsamt sieht Bahnfahrten im konkreten Fall als Arbeitszeit an
Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt hatte dem Speditionsunternehmen vorgegeben, die zulässigen Höchstarbeitszeiten einzuhalten. In diesem Zusammenhang wurde von der Behörde festgestellt, dass die im Zusammenhang mit den Überführungen stehenden Bahnreisen als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu berücksichtigen seien. Das Unternehmen vertrat dagegen die Meinung, es handele sich bei den Fahrten lediglich um ein „Freizeitopfer“ und nicht um Arbeitszeit, weil die Mitarbeiter während der Bahnfahrt in ihrer Zeitgestaltung völlig frei seien.
Arbeitszeit: Definition nach Europarecht und durch das Bundesarbeitsgericht
Das Verwaltungsgericht Lüneburg folgte dieser Auffassung nicht. Gemäß einschlägigen europarechtlichen Grundlagen, nämlich der Arbeitszeit-Richtlinie, sei eine von der gängigen Definition von Arbeitszeit durch das Bundesarbeitsgericht abweichende Bestimmung des Arbeitszeitbegriffs notwendig. Mit dem Bahnfahren gehe zwar nicht zwingend eine dem Gesundheitsschutz zuwiderlaufende Belastung einher. Darauf bezieht sich die sogenannte Beanspruchungstheorie des Bundesarbeitsgerichts für die Arbeitszeiterfassung bestimmter Tätigkeiten. Für die Begriffsbestimmung nach Europarecht sei dagegen alleine entscheidend, ob ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeiten ausübe oder Aufgaben wahrnehme. Nach dieser Definition zählen auch die Bahnfahrten der Mitarbeiter des Speditionsunternehmens als Arbeitszeit. Das aus zwei Gründen:
- Die mehrstündige An- und Abreise mit der Bahn sei Teil der Leistungserbringung.
- Durch die Bahnfahrten werde die Freiheit der Mitarbeiter beschränkt, selbst über ihre Zeit zu bestimmen.
Dabei hänge die Dauer der Bahnfahrten davon ab, an welchen Ort ein Fahrzeug überführt werden müsse. Dies stelle laut Auffassung des Gerichts einen wichtigen Unterschied zu Fahrten an eine feste Betriebsstelle dar, denn anders als diese stünden die Fahrten zu Überführungszwecken nicht zur Disposition des Arbeitnehmers. Sie seien dem Bereich des Arbeitgebers zuzurechnen.
Die besonderen Vorschriften des deutschen und europäischen Rechts zur Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben, stünden dem nicht entgegen, denn laut Gericht fänden diese im vorliegenden Fall keine Anwendung.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, denn das Speditionsunternehmen kann noch Antrag auf Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht stellen.