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Forderung der Lokführergewerkschaft GDL nach kürzeren Arbeitszeiten zeigt grundlegendes Dilemma auf
Im Bahnverkehr drohen Streiks. Die Bahn ist bisher nicht bereit, auf die Forderungen der Lokführergewerkschaft GDL nach kürzeren Arbeitszeiten einzugehen. Sie begründet das mit einer drohenden Verschärfung des Fachkräftemangels. Auf der anderen Seite sind Arbeitgeber dringend auf Nachwuchs angewiesen. Diesen erreicht man nur mit attraktiven Arbeitsbedingungen.
Ja, es könnte in der Weihnachtszeit zu Streiks im Bahnverkehr kommen. Der Grund dafür: Die Forderungen der Lokführergewerkschaft GDL nach einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei einer Vier-Tage-Woche wird von der Bahn abgelehnt. Zwar hat die Bahn ein erstes Angebot vorgelegt, das eine Lohnerhöhung von elf Prozent sowie eine Inflationsausgleichsprämie von bis zu 2.850 Euro vorsieht, doch ist im Angebot keine Rede von Arbeitszeitverkürzungen.
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Bahn lehnt Arbeitszeitverkürzungen bisher ab
Bahn-Personalvorstand Martin Seiler begrüßte in einer Stellungnahme die Bereitschaft der GDL, auf Grundlage des vorgelegten Angebots weiter zu verhandeln, lehnte die Kernforderung der Gewerkschaft nach Arbeitszeitverkürzung ab. Für die Bahn sei eine Reduzierung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter nicht machbar. Das würde bedeuten, dass die Bahn zehn Prozent zusätzliche Mitarbeiter einstellen müsse, und das bei einem historisch engen Arbeitsmarkt. Damit bezog sich Seiler auf den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel.
GDL-Chef: Kürzere Arbeitszeiten können dem Fachkräftemangel entgegenwirken
Dem entgegnete Claus Weselsky, Chef der GDL, es gehe nicht darum, die Arbeitszeit sofort zu senken, sondern dies schrittweise durchzuführen. Die von der Bahn genannten Zahlen zu notwendigen Neueinstellungen seien daher nicht richtig. In Verhandlungen mit einem anderen Unternehmen habe es bereits ein Angebot für eine schrittweise Absenkung der Arbeitszeit gegeben. Man würde der Bahn Zeit geben, das notwendige Personal nachzuführen, wenn es zu einem Kompromiss komme, so Weselsky weiter.
Das Argument, dass die Verkürzung von Arbeitszeiten den Fachkräftemangel verstärke, wies Weselsky zurück. Das Problem sei ja gerade, dass es aufgrund wenig attraktiver Arbeitsbedingungen im Schichtdienst an Bewerbern mangele. Weil der Schichtdienst notwendig sei, um den Bahnbetrieb aufrecht zu erhalten, könne eine Senkung der Arbeitszeiten die Attraktivität der Jobs erhöhen. Derzeit dünne man aber den Bahnverkehr aus, weil es an Lokführern, Fahrdienstleitern, Zugbegleitern und Werkstatt-Mitarbeitern mangele. Die Absenkung der Arbeitszeit bei gleichem Lohn mache die Jobs attraktiver und sende das Signal der Bahn aus, dass ihr die Mitarbeiter das wert seien.
Streiks über die Weihnachtstage nicht ausdrücklich ausgeschlossen
Weselsky warf der Bahn vor, Angebote für Tarifverhandlungen in den vergangenen Monaten abgelehnt zu haben. Jetzt habe es die Bahn auf einmal eilig. Auf die Frage, ob die GDL Streiks für die Weihnachtsfeiertage ausschließen würde, antwortete Weselsky, Streiks an den Weihnachtstagen habe es in letzter Zeit nie gegeben. Eine Garantie, dass dies auch in diesem Jahr der Fall sein werde, gab Weselsky jedoch nicht. Man wolle sich nicht bereits im November von der Bahn festlegen lassen. Man werde „den Druck auf dem Kessel nicht absenken“.
Die Wahrscheinlichkeit von Streiks werde laut Weselsky vermutlich sinken, wenn die Bahn ihr kategorisches „Nein“ zu einer Arbeitszeitverkürzung aufgebe und sich bereit erkläre, über Details und Wege dorthin zu sprechen.
Bewertung
Eine aktuelle Studie des Münchener ifo-Instituts scheint dem Argument der Bahn Recht zu geben, dass verkürzte Arbeitszeiten den Fachkräftemangel verstärken. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass die Arbeitgeber bei einer sinkenden Anzahl potentieller Bewerber Anreize schaffen müssen, um eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern zu finden. Die Arbeitszeit und die Arbeitsbedingungen stehen bei vielen Menschen ganz oben auf der Liste, wenn es um Argumente für oder gegen einen Job geht. Gerade in Berufen mit Schichtarbeit wird es verstärkt darauf ankommen, den Menschen zusätzliche Anreize zu bieten.
Volkswirtschaftlich betrachtet können Forderungen nach kürzeren Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich, wie sie zum Beispiel auch die IG Metall vertritt, problematisch sein, denn dadurch wachsen die Stundenlöhne teilweise deutlich, was wiederum eine Erhöhung der Preise nach sich ziehen wird. In Zeiten hoher Inflationsraten kann das kontraproduktiv sein.