Förderung von Mehrarbeit und Überstunden: Ist das ohne Arbeitszeiterfassung möglich?

Aus Teilen der Politik kommen Forderungen nach einer Förderung von Überstunden und Mehrarbeit. Dieselben Kreise sind es aber auch, die Arbeitszeiterfassung ablehnen. Wie passt das zusammen?
Überstunden bei Nacht

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Förderung von Mehrarbeit und Überstunden: Ist das ohne Arbeitszeiterfassung möglich?

Aus Teilen der Politik kommen Forderungen nach einer Förderung von Überstunden und Mehrarbeit. Dieselben Kreise sind es aber auch, die Arbeitszeiterfassung ablehnen. Wie passt das zusammen?

Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel in Deutschland führen zu Diskussionen darüber, wie das Arbeitsvolumen im Land ausgeweitet werden könnte. Einige Vorschläge dazu finden sich in der gerade veröffentlichten Wachstumsinitiative der Bundesregierung. So ist zum Beispiel geplant, Zuschläge für Überstunden steuerfrei zu stellen oder die Mehrarbeit von Teilzeitkräften steuerlich zu begünstigen.

Dabei stellt sich die Frage: Funktionieren solche Anreize auch ohne Arbeitszeiterfassung? Während sich die Bundesregierung für die laufende Legislaturperiode vorgenommen hat, Möglichkeiten zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten zu schaffen und sich um gesetzliche Regelungen zur Arbeitszeiterfassung zu kümmern, ist bei Letzteren noch keine Lösung in Sicht – und das, obwohl die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sowohl vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2019 und vom Bundesarbeitsgericht im Jahr 2022 bestätigt wurde.

Arbeitszeiterfassung ist noch nicht überall angekommen

Wenn sich die Bundesregierung für Anreize zu Mehrarbeit und Überstunden einsetzen möchte, dann muss sie auch dafür sorgen, dass diese Zeiten erfasst werden. Das ist derzeit aber noch nicht überall der Fall. So zeigte zuletzt eine Umfrage, dass bei vielen DAX-Unternehmen die Arbeitszeiten noch nicht erfasst werden. Betroffen sind vor allem leitende Angestellte sowie nicht tariflich beschäftigte Arbeitnehmer.

Arbeitnehmer, deren Überstunden nicht aufgezeichnet werden, würden ohne klare Regelungen zur Erfassung ihrer Arbeitszeiten nicht von den steuerlichen Vorteilen profitieren.

Überstunden müssen laut Arbeitszeitgesetz erfasst werden

Ohne eine zuverlässige und objektive Arbeitszeiterfassung ist eine Vergütung von Mehrarbeit und Überstunden nicht möglich. Dabei schreibt das Arbeitszeitgesetz ohnehin schon eine Erfassung der Überstunden vor. In § 16 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes heißt es dazu:

“Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 eingewilligt haben.”

Viele Überstunden werden nicht bezahlt

Ob die geplanten Anreize für Mehrarbeit und Überstunden tatsächlich greifen werden, hängt auch von der individuellen Situation der Arbeitnehmer ab. Viele Beschäftigte leisten bereits unbezahlte Überstunden, die nicht aufgezeichnet werden. Im Jahr 2022 leisteten Arbeitnehmer in Deutschland im Durchschnitt 14,3 bezahlte und 20,1 unbezahlte Überstunden.

Zudem gibt es viele Arbeitnehmer in Teilzeit, die schon heute gerne mehr arbeiten würden, für die es aber keine passende Stelle in ihrem Unternehmen gibt.

Eines lässt sich also feststellen: Wenn der Staat erreichen möchte, dass die Menschen mehr arbeiten, dann muss er sicherstellen, dass dies auch entsprechend vergütet wird. Klare Regelungen zur Arbeitszeiterfassung sind dabei unverzichtbar.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.