Einigung zwischen GDL und Netinera: Einstieg in die 35-Stunden-Woche auch bei der Bahn?

Die Lokführergewerkschaft GDL hat sich mit der Netinera GmbH, einem Konkurrenzunternehmen der Bahn, auf die stufenweise Einführung der 35-Stunden-Woche geeinigt.
Bahnhof mit Regionalbahn

© MKS / Adobe Stock

Einigung zwischen GDL und Netinera: Einstieg in die 35-Stunden-Woche auch bei der Bahn?

Die Lokführergewerkschaft GDL hat sich mit der Netinera GmbH, einem Konkurrenzunternehmen der Bahn, auf die stufenweise Einführung der 35-Stunden-Woche geeinigt. Setzt das die Deutsche Bahn unter Druck?

Ab 2028 soll es für die Lokführer und Zugbegleiter der Netinera GmbH, einem Konkurrenzunternehmen der Deutschen Bahn, zu dem zum Beispiel die Töchter Odeg, Metronom und Erixx gehören, eine 35-Stunden-Woche geben. Darauf einigten sich die Gewerkschaft GDL und die Netinera GmbH im gerade unterschriebenen Tarifvertrag. Die Zahl der Schichten pro Woche wird außerdem auf fünf begrenzt. Darauf müssen zwei freie Tage folgen. Auf diese Weise wird die Arbeitszeit familienfreundlicher. Die Netinera erhofft sich dadurch, attraktiver für neue Mitarbeiter zu werden.

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Das Problem ist nämlich, dass es derzeit an Nachwuchs fehlt. Das trifft die Bahn, aber auch ihre Wettbewerber. Manche Schichten können deshalb nicht besetzt werden.

Bahn noch nicht bereit, über eine Absenkung der Arbeitszeit zu verhandeln

Im Gegensatz zur Netinera ist die Deutsche Bahn aber bisher nicht bereit, über eine Absenkung der Arbeitszeit zu verhandeln. Dabei ist die Personalsituation für die Bahn schwierig: In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden Zehntausende Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. Die Bahn argumentiert, dass sich der Mangel an Personal zusätzlich verstärke, wenn die verbleibenden Mitarbeiter auch noch weniger arbeiten würden. Das würde laut Auskunft der Bahn einen zusätzlichen Personalbedarf von etwa zehn Prozent bedeuten.

Den Vergleich mit kleineren Konkurrenzanbietern wie mit der Netinera lehnt die Bahn ab. Diese seien deutlich kleiner und nur regional tätig. Was dort funktioniere, sei für einen Großkonzern nicht machbar. Eine Senkung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich sei nicht realistisch. Deshalb sei man auch nicht bereit, darüber zu verhandeln.

Martin Seiler, Personalvorstand bei der Bahn, wies außerdem darauf hin, dass es bereits jetzt die Möglichkeit für Mitarbeiter gebe, ihre Arbeitszeit auf bis zu 35 Stunden zu reduzieren – bei entsprechend weniger Lohn. Von dieser Möglichkeit machten aber nur wenige Gebrauch, woraus man die Schlussfolgerung ziehe, dass der Bedarf gering sei.

GDL beharrt auf Forderungen

Die GDL erklärt dazu, viele könnten einfach nicht auf das Geld verzichten, selbst erfahrene Lokführer mit einem Jahreseinkommen zwischen 44.000 und 53.000 Euro. Der Wunsch nach weniger Arbeit bestehe, denn viele seien durch unregelmäßige Arbeitszeit, lange Schichten und fehlende Planbarkeit überanstrengt. Durch Stress werde die Widerstandskraft geschwächt. Das zeige sich am aktuell hohen Krankenstand. Der Beruf sei nicht attraktiv für junge Menschen. Das sei schade, denn grundsätzlich könnten sich viele vorstellen, eine Lok zu fahren oder einen Zug zu begleiten.

Die GDL bleibt bei ihren Forderungen nach einer 35-Stunden-Woche an die Deutsche Bahn. Sie argumentiert mit dem bereits bestehenden Personalnotstand. Das Management sei offensichtlich nicht in der Lage, ausreichend neues Personal zu gewinnen. Man müsse neue Wege gehen, anstatt auf alten Positionen zu verharren.

Wirtschaftliche Bewertung

Einig sind sich Vertreter von Arbeitgeber und Arbeitnehmern, dass die Attraktivität der Jobs bei der Bahn erhöht werden muss. Doch auf welchem Weg das geschehen kann, ist strittig. Manche Wirtschaftsexperten erklären, eine Absenkung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich sei für die Bahn nicht machbar. Dazu sei es notwendig, dass mit der gesunkenen Arbeitszeit eine Steigerung der Produktivität einhergehe. Das sei aber bei Lokführern gar nicht möglich, denn im Schienenverkehr gehe es darum, bestimmte Zeiten abzudecken. Es sei schwer nachvollziehbar, wie die Effizienz durch kürzere Arbeitszeiten steigen solle.

Zudem gebe es andere Möglichkeiten, die Attraktivität der Jobs zu erhöhen. Dazu gehöre zum Beispiel eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und die Möglichkeit der Beschäftigten, ihre Schichten gemäß ihren persönlichen Bedürfnissen planen zu können.

Auch eine Verbesserung des Images der Bahn sei wichtig. Mitarbeiter sehen sich derzeit aufgrund der Negativschlagzeilen der Bahn in der Kritik und seien auch oftmals dem Unmut der Kunden ausgesetzt. Die Bahn müsse dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter wieder stolz auf ihren Job sein können.

Und schließlich sollte die Bahn nicht nur auf junge Menschen setzen, wenn es um das Gewinnen neuen Personals geht. Denn für junge Menschen seien Schichtarbeit und Wochenenddienste eher ein Problem. Es solle versucht werden, in anderen Branchen tätige Menschen anzusprechen, die unzufrieden seien. Auch Frauen nach der Familienzeit seien potentielle Kandidaten für einen Job bei der Bahn.

Mögliche Lösung

Noch zeichnet sich im Tarifstreit zwischen Deutscher Bahn und GDL keine Lösung ab. Ein möglicher Kompromiss könnte in einer Lohnerhöhung bestehen, die so umfangreich ausfällt, dass sich zumindest einige eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit leisten können. Auf diese Weise könnten beide Seiten ihr Gesicht wahren: Die Bahn hätte die generelle Einführung der 35-Stunden-Woche abgewendet, und die GDL könnte ihren Mitgliedern eine Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnverlust ermöglichen.

Die Bahn sollte außerdem aktiv an weiteren Möglichkeiten zur Reduzierung des Personalmangels arbeiten, um die Arbeitsbedingungen für die bestehenden Mitarbeiter zu verbessern.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.