Duschen und Umkleiden können als Arbeitszeit gewertet werden

Ob und wann das Duschen und Umkleiden zur Arbeitszeit zählt, hängt von verschiedenen Umständen ab. In einem aktuellen Urteil wurde jetzt ein Fall entschieden, in welchem das Gericht diese Tätigkeiten als Arbeitszeit wertete.
Umkleidekabine

© PaulShlykov / Adobe Stock

Duschen und Umkleiden können als Arbeitszeit gewertet werden

Ob und wann das Duschen und Umkleiden zur Arbeitszeit zählt, hängt von verschiedenen Umständen ab. In einem aktuellen Urteil wurde jetzt ein Fall entschieden, in welchem das Gericht diese Tätigkeiten als Arbeitszeit wertete.

Mehr als 20.000 Euro Nachzahlung forderte ein Container-Arbeiter von seinem Arbeitgeber für das Umkleiden und Duschen sowie für die Wege zwischen Umkleide und Arbeitsplatz. Der Kläger erhielt vom Landesarbeitsgericht Nürnberg teilweise Recht (siehe Urteil 7 Sa 275/22 vom 6. Juni 2023, das jetzt veröffentlicht wurde).

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Der Mitarbeiter war gehalten, den Beginn seiner Arbeitszeit an einem dafür angebrachten Zeiterfassungsterminal nicht bei beim Betreten des Betriebs oder der Umkleide zu erfassen, sondern den im Schichtplan vorgesehenen Zeitpunkt des Schichtbeginns als Startzeit zu verwenden.

Bei seiner Tätigkeit, die im Wesentlichen aus dem Reinigen und dem Ausbessern von Schadstellen von Containern des Unternehmens besteht, wurde der Mitarbeiter trotz der vom Arbeitgeber gestellten Schutzkleidung und Schutzbrille schmutzig.

Nach seiner Arbeit suchte der Arbeitnehmer jeweils die Umkleide auf, entledigte sich seiner Arbeitskleidung und duschte. Im Anschluss daran trug er das Ende seiner Arbeitszeit per Zeiterfassungsterminal ein. Auch hier war er gehalten, sich an den geltenden Schichtplan zu halten und den dort vorgesehenen Zeitpunkt des Schichtendes zu verwenden.

In seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Nürnberg vom 30.09.2020 klagte der Mitarbeiter auf zusätzliche Vergütung für den Zeitraum von Januar 2017 bis August 2020. Über die Zeit am Arbeitsplatz hinaus seien auch die Zeiten für den Weg von der Pforte zur Umkleide, für das Umkleiden, für den Weg von der Umkleide zum Arbeitsplatz und wieder vom Arbeitsplatz zur Umkleide, das Reinigen Duschen und Umziehen und den Weg von der Umkleide zur Pforte zu vergüten. Dies seien 55 Minuten täglich. Der Mitarbeiter forderte den entsprechenden Anteil von 55/60 des Stundelohns zuzüglich eines Zuschlags von 25 Prozent pro Arbeitstag.

Arbeitsgericht gab Mitarbeiter teilweise Recht

Das Arbeitsgericht Nürnberg entschied in erster Instanz, dem Mitarbeiter stehe für den Zeitraum Juni 2020 bis April 2022 ein zusätzlicher Betrag von 20/60 des Stundenlohns ohne Zuschläge zu. Dabei wurden jeweils fünf Minuten für das Umkleiden vor und nach der Arbeit sowie zehn Minuten für das Duschen und Reinigen angesetzt. Wege von der Pforte zur Umkleide und zurück seien nicht vergütungspflichtig, und der Weg von der Umkleide zum Arbeitsplatz werde bereits bezahlt, weil dieser Weg mit der Stempeluhr an der Umkleide bereits erfasst werde. Die Ansprüche des Arbeitnehmers von Januar 2017 bis einschließlich Mai 2020 wurden vom Gericht wegen Verjährung zurückgewiesen.

Mitarbeiter und Unternehmen legten Berufung ein

Gegen dieses Urteil legten sowohl der Arbeitnehmer als auch das Unternehmen Berufung ein. Nach Auffassung des Arbeitnehmers sei die für das Umkleiden und Duschen angesetzte Arbeitszeit von 20 Minuten zu kurz. Auch die Nicht-Beachtung des Weges von der Pforte zur Umkleide sei laut Kläger zu kritisieren. Nur weil das Zeiterfassungsterminal „willkürlich“ an der Umkleide positioniert sei, könne das nicht dazu führen, dass die zurückgelegten Wege auf dem Betriebsgelände nicht gewertet werden. Hinzukomme, dass der Arbeitnehmer gehalten sei, aus Gründen des Arbeitsschutzes einen Umweg zu seinem Arbeitsplatz zu nehmen.

Landesarbeitsgericht Nürnberg bestätigt im Wesentlichen die Entscheidung der ersten Instanz

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg folgte in weiten Teilen der Entscheidung aus der Vorinstanz. Die Zeit für das Umkleiden vor und nach der Arbeit sowie für die Reinigung nach der Arbeit sowie für die Wege von der Umkleide an den Arbeitsplatz und zurück seien gemäß § 611a Abs. 2 BGB gesondert zu vergüten. Dabei bezieht sich das Landesarbeitsgericht auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (5 AZR 245/17). Dieses hatte befunden, dass sich die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 611a Abs. 2 BGB an die Leistung weisungsgebundener Arbeit knüpft. Das bedeutet, dass Leistungen des Arbeitnehmers, die er auf Anweisung des Arbeitgebers erbringt, zu vergüten sind. Dazu gehören nicht nur die eigentlichen Tätigkeiten, sondern auch sonstige verlangte Tätigkeiten wie auch das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb. Daraus ergibt sich, dass nicht nur das Umkleiden, sondern auch der Weg von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück eine arbeitsrechtliche Verpflichtung des Mitarbeiters darstellen, die zu vergüten sind.

Duschen: eigennützig oder fremdnützig?

Zur Vergütung der Reinigung, also des Duschens, befand das Landesarbeitsgericht Nürnberg, hier komme es darauf an, ob dies eigennützig oder fremdnützig geschehe. Fremdnützig und damit vergütungspflichtig sei der Vorgang dann, wenn die Verunreinigung des Körpers durch die Arbeit deutlich über das Maß hinausgehe, das üblicherweise im Privatleben anfalle. Dagegen komme es nicht darauf an, dass die Verschmutzung des Körpers es unzumutbar mache, den Betrieb ohne Duschen zu verlassen. Die Fremdnützigkeit der Reinigung sei laut Gericht auch dann gegeben, wenn sie zum Einhalten von entsprechenden Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes erforderlich sei.

Schließlich bestätigte das Landesarbeitsgericht die Entscheidung der ersten Instanz, dass der Weg von der Pforte zur Umkleide keine Arbeitszeit darstelle. Auch der Weg von der Pforte zum Arbeitsort sei als Weg zur Arbeitsweg zu werten und damit nicht vergütungspflichtig.

Fazit

Ob die Zeiten für das Umkleiden sowie für das Duschen nach der Arbeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu werten sind, kommt auf die jeweiligen Umstände an. Für eine Vergütung der Umkleide spricht, wenn der Arbeitgeber das Tragen entsprechender Arbeitskleidung fordert, er entsprechende Räumlichkeiten bereitstellt und der Arbeitnehmer sich dort umzieht. Das Umziehen zu Hause gehört dagegen nicht zur Arbeitszeit, wenn die Möglichkeit besteht, dies im Betrieb zu erledigen.

Für die Wertung des Duschens als vergütungspflichtige Arbeitszeit spricht, wenn dies fremdnützig geschieht. Ein Indikator dafür kann das Maß der Verschmutzung durch die Arbeit sein. Übersteigt diese eine normale Verschmutzung im privaten Ausmaß deutlich, spricht das für eine Vergütungspflicht.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.