Inhalt
- Bundesarbeitsgericht: Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Nachtschicht arbeiten kann, ist nicht automatisch arbeitsunfähig
- Arbeitsleistung in allen anderen Schichten wäre weiter möglich gewesen
- Krankenschwester klagte auf Arbeitsvergütung für den Freistellungszeitraum
- Krankenhaus: ‚Keine Sonderbehandlung möglich‘
- Krankenschwester erhielt in allen Instanzen Recht
- Auch eine teilweise Arbeitsunfähigkeit liegt nicht vor
- Gericht: Gleichstellungsgrundsatz gebietet, ‚Unterschiedliches unterschiedlich zu behandeln‘
- Fazit
Bundesarbeitsgericht: Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Nachtschicht arbeiten kann, ist nicht automatisch arbeitsunfähig
In einem Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht über den Fall einer Krankenschwester entschieden, die aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr in der Nachtschicht arbeiten kann, für andere Schichten aber bereitsteht. Dadurch sei keine Arbeitsunfähigkeit gegeben, entschied das Bundesarbeitsgericht.
Die Arbeit im Mehrschichtbetrieb kann je nach Tätigkeit anstrengend sein und eine Belastung für die Gesundheit darstellen. Ist die Gesundheit eines Mitarbeiters ohnehin bereits angeschlagen, kann das dazu führen, dass der Einsatz in allen Schichten nicht mehr möglich ist.
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So war es auch im Fall einer Krankenschwester, die aufgrund der notwendigen Einnahme von schlaffördernden Medikamenten nicht mehr in der Nachtschicht arbeiten konnte. Daher tauschte sie ihre Nachtdienste mit anderen Mitarbeitern, wenn sie für eine Nachtschicht eingeteilt wurde. Das passierte durchschnittlich zweimal pro Monat.
Die Krankenschwester ließ sich betriebsärztlich untersuchen. Dabei wurde bestätigt, dass sie keine Nachtdienste mehr leisten kann. Dies nahm der damals diensthabende Pflegedirektor des Krankenhauses zum Anlass, die Krankenschwester als arbeitsunfähig nach Hause zu schicken und ihr für sechs Wochen Entgeltfortzahlung zu gewähren. Die Krankenschwester wurde in den Dienstplänen nicht mehr berücksichtigt.
Arbeitsleistung in allen anderen Schichten wäre weiter möglich gewesen
Daraufhin teilte die Krankenschwester ihrem Arbeitgeber mit, sie könne in den Früh-, Spät- und Zwischenschichten sowie auch am Wochenende und an Feiertagen arbeiten. Sie sei daher nicht arbeitsunfähig und biete ihre Arbeitsleistung weiter an. Der Anteil der Nachtdienste habe darüber hinaus bisher nicht mehr als fünf Prozent der Gesamtarbeitszeit betragen. Sie bat um Mitteilung, wann sie wieder zum Dienst erscheinen dürfe.
Als Antwort wurde der Krankenschwester erneut mitgeteilt, sie sei arbeitsunfähig und könne ihre Tätigkeit dann wieder aufnehmen, wenn sie wieder im Nachtdienst arbeiten könne.
Krankenschwester klagte auf Arbeitsvergütung für den Freistellungszeitraum
Die Krankenschwester klagte vor dem Arbeitsgericht und verlangte die Zahlung von Arbeitsvergütung für den Zeitraum, in welchem sie aufgrund der vorgeblichen Arbeitsunfähigkeit nicht eingesetzt worden war, abzüglich das Arbeitslosengeldes, das sie in der Zwischenzeit erhalten hatte. Insgesamt belief sich die Forderung auf eine Summe von etwas mehr als 6.000 Euro. Der Arbeitgeber müsse sie nach § 106 GewO für alle Schichten mit Ausnahme der Nachtschichten einteilen. Das sei organisatorisch möglich und auch zumutbar. Als Zahlungsanspruch wurde Annahmeverzug durch den Arbeitgeber sowie hilfsweise Schadensersatz angeführt.
Krankenhaus: ‚Keine Sonderbehandlung möglich‘
Das beklagte Krankenhaus beantragte dagegen, die Klage abzuweisen. Weil die Krankenschwester ihre Arbeitsleistung nicht mehr in vollem Umfang erbringen könne, sei das Krankenhaus nicht zur Beschäftigung der Arbeitnehmerin verpflichtet. Weil es zudem keine Tagesarbeitsplätze gebe, sei es auch nicht möglich, ihr einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Eine gleichmäßige Verteilung des Nachtbetriebs auf die Arbeitnehmer sei aus Gründen der Gleichbehandlung und wegen des eingeschränkten finanziellen und personellen Spielraums notwendig. Die Krankenschwester habe mangels Leistungsfähigkeit keinen Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug. Weil keine schuldhafte Pflichtverletzung seitens des Arbeitgebers vorliege, bestehe auch kein Schadenersatzanspruch.
Krankenschwester erhielt in allen Instanzen Recht
Vor dem Arbeitsgericht, also in erster Instanz, erhielt die klagende Krankenschwester Recht. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Krankenhauses zurückgewiesen. Letztendlich wies auch das Bundesarbeitsgericht den Revisionsantrag zurück (10 AZR 637/13) und entschied im Sinne der Krankenschwester. Das Gericht argumentierte, dass eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ohne vertragliche Vereinbarung grundsätzlich nicht möglich sei. Dieser Anspruch müsse nur dann zurücktreten, wenn dem überwiegende Schutzinteressen des Arbeitgebers entgegenstehen.
Das Gericht entschied weiter, dass die Klägerin nicht arbeitsunfähig sei, nur weil sie Medikamente einnehmen müsse und deshalb keine Nachtdienste leisten könne. Arbeitsunfähigkeit liege dann vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr ausüben kann oder ausüben sollte, weil dadurch die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde.
Nach Auffassung des Gerichts könne die Krankenschwester ihre vertraglich geschuldete Arbeitstätigkeit weiter ausüben. Dem stehe die eingeschränkte Einsatzfähigkeit gemäß der Lage der Arbeitszeiten nicht entgegen.
Das Bundesarbeitsgericht betont in seinem Urteil, dass die Mitarbeiterin sämtliche der von ihr als Krankenschwester zu verrichtenden Aufgaben ausführen könne, ohne dass von Verhinderung oder Verzögerung der Heilung die Rede sein könne. Sie sei nach Art und Dauer der Arbeit uneingeschränkt einsetzbar und unterliege lediglich Einschränkungen hinsichtlich der Lage ihrer Arbeitszeit. Und auch wenn Nachtschichten von der Arbeitspflicht der Krankenschwester mit umfasst seien, gebe es keine vertragliche Festlegung, ihre Arbeit zur Nachtzeit zu verrichten.
Auch eine teilweise Arbeitsunfähigkeit liegt nicht vor
Wichtig ist der Hinweis, dass auch von einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit dann nicht auszugehen sei, wenn ein Arbeitnehmer eine volle Arbeitsleistung erbringen könne und lediglich daran gehindert sei, der gesamten Bandbreite der arbeitsrechtlich an sich möglichen Leistungsbestimmungen gerecht zu werden.
Der Arbeitgeber müsse dann im Rahmen von § 106 GewO nach Möglichkeit berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nicht mehr in der Lage ist, alle von ihm geschuldeten Tätigkeiten vollumfänglich auszuführen. Ein solcher Fall liege hier vor.
Gericht: Gleichstellungsgrundsatz gebietet, ‚Unterschiedliches unterschiedlich zu behandeln‘
Nach Meinung des Gerichts ist die Herausnahme der Krankenschwester aus den Nachtschichten möglich, zumutbar und angemessen. Der Gleichstellungsgrundsatz, den das Krankenhaus als ein Argument gegen eine Sonderbehandlung der Krankenschwester angeführt hatte, gebiete nach Meinung des Gerichts gerade, dass Unterschiedliches unterschiedlich behandelt werde und damit den bei der Krankenschwester vorliegenden Gründen Rechnung zu tragen.
Fazit
Wenn im Schichtbetrieb die Einteilung eines Mitarbeiters in eine bestimmte Schicht wie zum Beispiel die Nachtschicht aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, muss der Mitarbeiter deswegen nicht arbeitsunfähig sein. Ob und inwiefern dies gegeben ist, hängt allerdings von den jeweiligen Umständen ab.