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Auswirkungen des Ampel-Aus auf die HR
Durch das vorzeitige Aus der Ampel-Regierung können einige Gesetzesvorhaben nicht wie geplant umgesetzt werden. Betroffen sind auch einige Gesetze, welche direkt oder indirekt Auswirkungen auf die Unternehmen und ihre Beschäftigten und damit auf die HR von Unternehmen haben. Wir zeigen, welche möglichen Folgen sich ergeben.
Manche hatten das vorzeitige Ende der Ampel-Koalition erwartet, andere waren zumindest vom Zeitpunkt überrascht. Mit dem Antrag auf Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) endet die Zeit der Ampel-Regierung.
Das hat Konsequenzen, denn viele noch nicht abgeschlossene Gesetzesvorhaben können so nicht mehr umgesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel Änderungen an der Asylpolitik oder die Stärkung der Industrie.
Auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer und damit auch die HR von Unternehmen sind vom Scheitern der Regierungskoalition betroffen. Das bezieht sich insbesondere auf diese Vorhaben, deren Umsetzung jetzt völlig offen ist:
- Tariftreuegesetz
- Anpassung des Arbeitszeitgesetzes
- Beschäftigtendatengesetz
- Steuerfortentwicklungsgesetz
- Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen für Sozialabgaben
Tariftreuegesetz
Das Tariftreuegesetz sieht vor, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die ihren Beschäftigten den geltenden Tarifverträgen der Branche entsprechende Löhne und Gehälter bezahlen sowie entsprechende Arbeitsbedingungen bieten.
Angesichts des großen Volumens an Aufträgen, die in nächster Zeit vom Bund vergeben werden, um zum Beispiel die Infrastruktur in Deutschland zu modernisieren, wird diesem Gesetz von einigen Akteuren eine große Bedeutung beigemessen. Das Tariftreuegesetz würde auch die von den Auftragnehmern in Anspruch genommenen Subunternehmer betreffen.
Während das Tariftreuegesetz vor allem ein Anliegen der SPD ist, um die Arbeitnehmer zu schützen, sieht die FDP das Vorhaben kritisch und befürchtet zusätzliche Bürokratie.
Durch das Ausscheiden der FDP aus der Regierung dürfte sich zwar die Abstimmung im Kabinett vereinfachen, doch fehlt den verbleibenden Regierungsparteien jetzt die nötige Mehrheit im Bundestag, um das Gesetz zu verabschieden. Es ist also völlig offen, ob das Tariftreuegesetz noch beschlossen wird.
Anpassung des Arbeitszeitgesetzes
Im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, Möglichkeiten für flexiblere Arbeitszeiten zu testen und auszuloten, welche Änderungen am Arbeitszeitgesetz notwendig sind, um den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur Arbeitszeiterfassung zu entsprechen.
Zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten heißt es im Koalitionsvertrag:
Wir halten am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz fest. Im Rahmen einer im Jahre 2022 zu treffenden, befristeten Regelung mit Evaluationsklausel werden wir es ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Außerdem wollen wir eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen (Experimentierräume).
Viel passiert ist hier aber nicht, was im Juni dieses Jahres zu Unzufriedenheitsäußerungen der FDP führte.
Zur Zeiterfassung heißt es im Koalitionsvertrag:
Im Dialog mit den Sozialpartnern prüfen wir, welchen Anpassungsbedarf wir angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitszeitrecht sehen. Dabei müssen flexible Arbeitszeitmodelle (z. B. Vertrauensarbeitszeit) weiterhin möglich sein.
Doch bis auf einen Referentenentwurf hat die Bundesregierung zu diesem Thema bisher nichts Handfestes hervorgebracht.
Heißt das jetzt, dass Zeiterfassung doch nicht verpflichtend ist?
Nein, die Pflicht zur Zeiterfassung besteht auch ohne eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes. Diese ergibt sich neben dem Urteil des EuGH aus dem Jahr 2019 auch aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2022. Dieses verwies auf das bestehende Arbeitsschutzgesetz als Grundlage für die Zeiterfassung. An diesem Gesetz sind keine Änderungen vorgesehen.
Bleibt die Frage, in welcher Form die Zeiterfassung erfolgen muss, denn genau das sollte im Arbeitszeitgesetz geregelt werden. Hierzu hatte der EuGH erklärt, Unternehmen müssen ein Zeiterfassungssystem verwenden, das objektiv, verlässlich und zugänglich ist. Das bedeutet, dass die Arbeitszeiterfassung nachvollziehbar, nicht manipulierbar und offen für die Bereitstellung der erfassten Daten für Berechtigte sein muss. All das sind Eigenschaften, die am ehesten von digitalen Zeiterfassungssystemen geboten werden.
Unternehmen sollten sich also darüber im Klaren sein, dass sie auch ohne gesetzliche Änderungen die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter erfassen müssen.
Beschäftigtendatengesetz
Das Beschäftigtendatengesetz (BeschDG) ist ein Gesetzentwurf, der in Deutschland mehr Klarheit und Rechtssicherheit im Umgang mit Beschäftigtendaten schaffen soll. Der Entwurf reagiert auf die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt sowie den Einsatz von KI und die damit verbundenen Herausforderungen für den Datenschutz.
Der Entwurf des BeschDG soll die abstrakten Regelungen des § 26 BDSG konkretisieren und somit die Zulässigkeitsprüfung der Datenverarbeitung in komplexen Einzelfällen erleichtern. Ziel ist es, einen Ausgleich zwischen Datenschutz und den Anforderungen der modernen Arbeitswelt zu finden.
Besonders relevant sind dabei:
- Einwilligung des Arbeitnehmers: Das Gesetz soll klarstellen, wann eine Einwilligung des Arbeitnehmers in die Datenverarbeitung als freiwillig gilt, insbesondere im Hinblick auf das Abhängigkeitsverhältnis.
- Löschfristen für Bewerberdaten: Der Entwurf sieht vor, die Löschfristen für Bewerberdaten zu verkürzen und die Voraussetzungen für eine längere Speicherung zu verschärfen.
- Überwachung von Beschäftigten: Der Entwurf enthält detaillierte Regelungen zu verschiedenen Formen der Arbeitnehmerüberwachung, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen.
- Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats: Der Entwurf sieht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Bestellung und Abberufung des Datenschutzbeauftragten vor.
Die Bundesregierung hatte kürzlich den aktuellen Entwurf für das Gesetz veröffentlicht. Ob es jedoch zu einer Verabschiedung des Gesetzes kommen wird, ist derzeit angesichts des Bruchs der Koalition noch völlig offen.
Steuerfortentwicklungsgesetz: Abschaffung der kalten Progression
Die Bundesregierung hat eine Erhöhung der steuerlichen Freibeträge für die Jahre 2025 und 2026 sowie eine Verschiebung der Eckwerte nach oben beschlossen. Ab 2025 soll ein Freibetrag von 12.096 Euro gelten. Das sind immerhin 312 Euro mehr als 2024.
Ziel ist es, die sogenannte Kalte Progression zu verhindern. Diese entsteht, wenn Löhne, die lediglich im Maße der Inflation steigen, höher besteuert werden, so dass der reale Gewinn an Kaufkraft aufgezehrt wird.
Zwar hat das Kabinett das Steuerfortentwicklungsgesetz bereits beschlossen, doch steht die Verabschiedung im Bundestag noch aus. Ob es nach dem Bruch der Regierung dazu kommen wird, ist ungewiss.
Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen für Sozialabgaben
Durch das Anheben der Beitragsbemessungsgrenzen für Sozialabgaben sollen besser Verdienende stärker belastet werden. Dabei steigt die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung von 7.550 auf 8.050 Euro pro Monat. In der Krankenversicherung steigt sie von 5.175 Euro auf 5.512,50 Euro pro Monat. Gleichzeitig wird die Versicherungspflichtgrenze, die festlegt, ab welchem Einkommen sich Arbeitnehmer sich privat krankenversichern dürfen, von 5.775 Euro auf 6.150 Euro im Monat angehoben.
Auch für diese Änderung liegt bereits ein Kabinettsbeschluss vor. Allerdings muss sie noch den Bundesrat passieren. Ob dies gelingen wird, ist angesichts der veränderten politischen Landschaft unklar.
Wie geht es nach Neuwahlen weiter?
Gesetze, die bis zum Ende der Wahlperiode nicht verabschiedet sind, haben nur geringe Chancen auf eine Realisierung. Der Grund ist das Diskontinuitätsprinzip in Deutschland. Dieses sieht vor, dass Gesetze, die nicht bis zum Ende der Wahlperiode vom Bundestag verabschiedet wurden, nicht weiter verfolgt werden. Sollte die folgende Bundesregierung ähnliche Vorhaben auf der Agenda haben, muss sie damit neu beginnen.