Arbeitszeiterfassung für Lehrer: GEW in Hessen macht Druck

Obwohl die Arbeitszeiterfassung auch für Lehrer Pflicht ist, gibt es bisher in Deutschland noch keine entsprechenden Lösungen. Die Bundesländer lassen sich Zeit. Die GEW Hessen bringt das Thema jetzt wieder auf den Tisch.
Lehrerin vor der Klasse beim Unterricht

© Kzenon / Adobe Stock

Arbeitszeiterfassung für Lehrer: GEW in Hessen macht Druck

Obwohl die Arbeitszeiterfassung auch für Lehrer Pflicht ist, gibt es bisher in Deutschland noch keine entsprechenden Lösungen. Die Bundesländer lassen sich Zeit. Die GEW Hessen bringt das Thema jetzt wieder auf den Tisch.

Viele Lehrerinnen und Lehrer arbeiten mehr als vertraglich vereinbart – und sogar mehr, als dies gesetzlich zulässig wäre. Das Problem dabei: Es gibt für Lehrer noch keine Arbeitszeiterfassung. Dabei wäre diese schon längst verpflichtend. Das ergibt sich aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 und des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2022. Zudem hatte das Bundesarbeitsministerium erklärt, dass es keine Ausnahmen bei der Arbeitszeiterfassung für Lehrer und Wissenschaftler geben soll.

Die für die Bildung zuständigen Bundesländer haben es mit der Einführung der Arbeitszeiterfassung aber offenbar nicht eilig. Ein Grund dafür ist wahrscheinlich, dass dann offensichtlich würde, was für viele Lehrerinnen und Lehrer alltäglich ist: unbezahlte Mehrarbeit und Überstunden – zum Beispiel durch Zusatzaufgaben wie Konferenzen, Klassenfahrten oder Elterngespräche. Auch Aufgaben im Rahmen der Inklusion und Digitalisierung beanspruchen die Lehrkräfte zusätzlich.

Im öffentlichen Dienst gibt es Zeiterfassung, nicht aber für Lehrkräfte

Zur Schaffung von Transparenz bezüglich der Arbeitszeiten von Lehrern und für das Ziel, Abhilfe bei den bestehenden Missständen zu schaffen, fordert der hessische Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Einführung von Arbeitszeiterfassung an den Schulen. Laut dem hessischen GEW-Vorsitzenden Thilo Hartmann gebe es Zeiterfassung im öffentlichen Dienst bereits, allerdings nicht an den Schulen, wo in den Schulwochen überlange Arbeitszeiten und unbezahlte Überstunden geleistet würden.

Laut einer Studie der GEW aus dem Jahr 2020 arbeiten in Hessen 21 Prozent der Vollzeit-Lehrkräfte in Schulwochen länger als die gesetzlich festgelegte Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass sich diese Zahlen inzwischen weiter erhöht haben.

Ein weiteres Problem: In Hessen seien Tausende Lehrerstellen nicht besetzt, während viele Studentinnen und Studenten die Ausbildung abbrächen. Das liege auch an einem Praxisschock, der sich einstelle, wenn die jungen Menschen sähen, wie an den Schulen gearbeitet werde. Hinzu komme ein hoher Krankenstand, der zu Unterrichtsausfällen führe. Das liege auch an den derzeitigen Arbeitsbedingungen. Die Erfassung der Arbeitszeiten sei ein erster Schritt in Richtung von Verbesserungen.

Zeiterfassung kann für Entlastung der Lehrer sorgen

Auch der Interessenverband Hessischer Schulleitungen unterstützt die Forderungen nach einer Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte. In den letzten Jahren seien viele zusätzliche Aufgaben für Lehrer hinzugekommen, ohne dass die verfügbaren Ressourcen erweitert wurden. Dies gehe zu Lasten der Schülerinnen und Schüler.

Mithilfe der Erkenntnisse aus der Zeiterfassung sei es möglich, die Arbeit besser und effizienter zu verteilen – zum Beispiel auf Verwaltungsfachkräfte oder technische Assistenten. Damit könnten Lehrkräfte entlastet und die Qualität des Unterrichts verbessert werden.

Die Mehrarbeit betreffe im Übrigen auch die Schulleitungen, wo es wöchentliche Arbeitszeiten jenseits der 50 Stunden gebe.

Kultusministerium bremst Erwartungen

Wie zu erwarten war, stieß die Initiative der GEW beim zuständigen hessischen Kultusministerium auf Zurückhaltung. Die GEW legte dem Ministerium den Entwurf einer Dienstvereinbarung vor. Darin vorgesehen ist die Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie der Pausenzeiten. Gefordert wird eine kostenfreie, leicht handhabbare und datensichere Methode zur Arbeitszeiterfassung.

Das Kultusministerium verwies auf die derzeit laufende Abstimmung des Themas in der Kultusministerkonferenz (KMK). Laut einer Ministeriumssprecherin könne das Thema nur einheitlich gelöst werden. Alleingänge seien nicht sinnvoll.

Die Bildung ist Aufgabe der Länder. Insofern wären individuelle Lösungen innerhalb der einzelnen Bundesländer durchaus vorstellbar. Bisher plant aber erst Bremen konkrete Schritte und möchte die Arbeitszeiten von Lehrern im Rahmen eines Pilotprojekts erfassen. In Sachsen wird seit diesem August die Arbeitszeit von Lehrern gemessen. Mithilfe dieser Daten soll geklärt werden, ob Arbeitszeitkonten für Lehrer möglich sind.

Die Regierungskoalition in Hessen aus CDU und SPD hatte sich im Rahmen des Koalitionsvertrags darauf geeinigt, eine Arbeitszeiterfassung für Lehrer einzuführen. Allerdings ist dort auch vermerkt, dass die Lösungen im Rahmen der Kultusministerkonferenz abgestimmt sein sollten. Das lässt viel Spielraum und bietet die Möglichkeit, die Einführung zu verzögern.



Verfasst von Christian Kunz

Christian verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Projektmanagement, Produktmanagement sowie agiler Projektentwicklung, die er in verschiedenen Unternehmen erworben hat.